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Zwischen Goldrausch und Lethargie: Digitalisierung braucht Innovation!

Geschrieben von divia Gmbh | 3. Mai 2018

Die unternehmerische Existenz steht auf dem Spiel, wenn neue, agile Player mit Technologien wie künstlicher Intelligenz und Big Data etablierte Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit herausfordern. Auswirkungen und Geschwindigkeit der Digitalisierung werden unterschätzt, heißt es einstimmig (VDI Nachrichten 20.4.), und so wurde auch auf der Hannover Messe 2018 (HM18) und in den Publikationen rund um die Messe einhellig davor gewarnt, den Aufsprung auf den Zug der Digitalisierung zu verpassen. 

Auf der HM18 standen vor allem Projekte rund um das Internet der Dinge (IoT: Internet of things) im Mittelpunkt. Neue und etablierte Geschäftsmodelle werden ermöglicht und optimiert, indem Daten aus Maschinen und Komponenten gesammelt und analysiert werden. Das Management sämtlicher (neuer) Businessprozesse erfolgt nach einem holistisch erarbeiteten Konzept mit den Zielen Integration, Kostenreduzierung und Wertsteigerung für den Kunden. Die erwarteten Umsätze von digitalen Technologien sorgen dabei bisweilen für Goldgräberstimmung.

Dem will aber die Erwartungshaltung des verarbeitenden Gewerbes im Mittelstand nicht entsprechen: Ca. 30 Prozent der CEO's und Vorständen erwarten keinen merklichen Wandel durch Big Data für ihr Geschäftsmodell. Das Innovationspotenzial digitaler Technologien wird von diesen 30 Prozent schlicht verkannt. Fehlende Fantasie und fehlender Wille auf Leitungsebene, das bislang erfolgreiche Geschäftsmodell zu hinterfragen, könnten Gründe dafür sein.

Mit der Digitalisierung verändert sich auch die Innovation

Die Digitalisierung verändert Wertschöpfungsnetzwerke und damit die Art und Weise, wie in gegenwärtiger Zukunft zusammengearbeitet und innoviert wird. Innovationswillige Unternehmen benötigen Antworten und Strategien auf folgende herausfordernde Marktveränderungen durch die Digitalisierung:

  • Vernetzung von Branchen und Services
  • Hochspezialisierte Wettbewerber und Services
  • Neue Geschäftsmodelle
  • Spezifischere Kundenanforderungen
  • Stetige Weiterentwicklung von Technologien.

Dadurch werden im Wesentlichen Innovationszyklen beschleunigt und Vermarktungszeiten verkürzt. Ein von der Leitungsebene initiierter Anstoß im Bereich Forschung und Entwicklung ist zu spät, wenn der digitale Wandel bereits Tatsachen geschaffen hat und das jeweilige Unternehmen nachziehen muss, um nicht unterzugehen. Wer erst nach den (neuen) Hauptwettbewerbern beginnt zu innovieren, hat in der Kürze der Zeit naturgemäß kaum Möglichkeiten, das notwendige Know-How und eine entsprechende Innovationskultur im Unternehmen zu schaffen. Das Risiko des Scheiterns durch Fehlinvestitionen und "Aussitzen" wächst mit höheren Innovationsgeschwindigkeiten, wachsenden Kompetenzanforderungen an Mitarbeitende sowie mit den sich stetig ändernden, spezifischen Kundenwünschen.

F&E-Prozesse nach außen öffnen

Open Innovation (Chesbrough) ist keine Kür mehr, sondern zunehmend strategisch bedeutsam, insbesondere für technologieorientierte Unternehmen und Organisationen. Innovationsfreudige Unternehmen nutzen sog. Netzwerktreffen, Kreativworkshops, Kundenbefragungen, gemeinschaftliche Forschungsprojekte und initiieren Innovationstage, um kreativen Ideen Raum zu geben und Use Cases zu entwerfen. In sog. Ko-Innovationen werden externe, ausgewiesene Wissensquellen miteinbezogen.

Während der nach innen gerichtete Innovationsprozess seine Bedeutung bei unternehmensspezifischen Produkten beibehält (Corporate-Innovation-Prozess, Single Point of Innovation, "Skunk Work"), ist es für Unternehmen sinnvoll, das wirtschaftlich wie gesellschaftliche Innovationspotenzial bei vor allem jungen, unerprobten Technologien gemeinsam mit Kunden, Partnern, Wettbewerbern und wissenschaftlichen Akteuren zu erarbeiten. Die Ideenschöpfung (IP: Intellectual Property) wird in der Ko-Innovation mit Externa unter vertraglich bindenden Regeln geteilt. Insbesondere lassen sich Cross-Industry-Potenziale in einer Ko-Innovation mit Blick auf Einigung über Standards und Best-Practices erfolgreicher bestimmen.

Der Grad der Innovationsneuheit ist entscheidend, ob ein Unternehmen den Innovationsprozess nach außen öffnen möchte. Das Unternehmen stellt fest, welche Geschäftsfelder sich für den offenen Innovationsprozess eignen und welche nicht. Wenn ein Produkt noch in den Kinderschuhen steckt und ExpertInnen in dem relevanten Bereich rar sind, empfiehlt sich in erster Linie der Wissens- und Erfahrungsaustausch in einem Konsortium mit relevanten externen WissensträgerInnen, um Basiswissen aufzubauen. Umgekehrt ist es sinnvoll, den Aufbau spezifischen Wissens im Unternehmen strategisch geheim zu halten. Eine Weiterführung der F&E-Aktivitäten mit den Ergebnissen aus der Ko-Innovation ist in einem anschließenden Corporate-Innovation-Prozess üblich.

Die vorrangige Herausforderung stellt dabei wie so oft in einer Zusammenarbeit das gemeinsame, methodische Vorgehen mitsamt Schnittstellen, Verbindlichkeiten und Services (Ressourceneinsatz) dar, die nicht nur der Komplexität gerecht werden, sondern im besten Fall auch die unterschiedlichen Interessen berücksichtigen sollen. In der Praxis zeichnet sich kein Königsweg für eine erfolgreiche Ko-Innovation ab. Die Zusammenstellung eines sog. Konsortiums hängt immer auch von den jeweiligen Zielen ab. Deren Vielfalt reicht vom Erreichen von Branchen-Standards über die Entwicklung von universellen Grundtechnologien bis zum industrieübergreifenden Transfer von Innovationen und weit darüber hinaus.

Erfolgreiche Ko-Innovationen: Strategische F&E-Vernetzungen und gelebte Offenheit und Neutralität

Das strategische Beziehungsnetzwerk eines Unternehmens kann als wichtiger Innovationsindikator begriffen werden. Ein Unternehmen überlegt sich geeignete Kooperationen und etabliert sie im Lead oder in Zusammenarbeit. Bereits in den 90er Jahren wurde in einer Studie offensichtlich, dass Unternehmen in technologiebezogenen Kooperationen mit Kunden und Partnern erfolgreicher innovieren als ohne jene Kooperationen (R. Herden). Andere Innovationsindikatoren wie die Wettbewerbsstrategie und die Tätigkeiten des Bereichs "Forschung und Entwicklung" der analysierten Unternehmen konnten auseinanderklaffende Innovationsergebnisse in der vergleichenden Studie nicht adäquat erklären.

Ideen aus engagierten Netzwerken sind erfolgsversprechender, weil, vereinfachend ausgedrückt, interdisziplinäre Teams innovativere Ideen entwickeln können, die sich näher am Markt orientieren und damit eine schnellere Kommerzialisierung von Technologien möglich machen (R. Herden). Auch die Einbeziehung eigener Kunden in den Innovationsprozess ist nichts Neues, wird jedoch im Zuge der Digitalisierung und den angesprochenen spezifischen und sich schnell ändernden Kundenansprüchen umso wichtiger. Ko-Innovationen erhöhen zudem die Marktakzeptanz und Nachhaltigkeit von Produkten auf dem Markt, da hier ein Forum für die gemeinsame Durchsetzung der angesprochenen Best Practices und Standards geschaffen wird. Das kann mitunter das Überleben hauseigener Produkte absichern. Fraglich ist indes, wie ein Konsortium "digitalen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten" begegnen und sie mittelfristig auffangen könnte.

Bei erfolgreichen Ko-Innovationen von Akteuren aus unterschiedlichen Industrien darf Neutralität und Vertrauen nicht fehlen - hier übernimmt (theoretisch) keine Partei die einseitige Kontrolle über den Diskussionsverlauf, dessen Ergebnis von allen getragen werden sollte. Ko-Innovationen eignen sich nicht nur gut bei potenziell komplexen, industrieübergreifenden Anwendungsfällen digitaler Technologien wie Blockchain, Big Data, 3D Druck, Robotik und Künstliche Intelligenz, - hier drängen sie sich förmlich auf. Das disruptive Potenzial, das diese Technologien besitzen, wird sich (auch weiterhin) auf viele bestehende und etablierte Geschäftsmodelle auswirken.

Erfolg heißt auch Scheitern: Innovation ist Bewegung

Innovationskultur ist Teil der Unternehmenskultur, die im besten Fall von allen Mitarbeitenden akzeptiert und gelebt wird. Ein Open-Innovation-Mindset ist in besonders innvoationsfreundlichen Unternehmen längst etabliert, aber in vielen anderen Unternehmen nicht selbstverständlich und schon gar kein Selbstläufer. Darüber hinaus ist die Fähigkeit eines Unternehmens, internes Wissen zu externalisieren und externes Wissen zu internalisieren, Voraussetzung für Open-Innovation-Prozesse. Der Raum für Neues muss geschaffen, (vor-)gelebt und langfristig begleitet werden, um interdisziplinäre Communities zu etablieren und fachübergreifende Ökosysteme aufzubauen.

 

[Abbildung 1: Dimensionen der Innovationskultur in Unternehmen (nach Lippold et al, 2008; eigene Darstellung)]

Vor allem bei Traditionsunternehmen stellt sich die Frage, wie flexibel sie im Einzelnen in Zukunft innovieren wollen und müssen, wenn neue Marktakteure und Geschäftsmodelle das Potenzial bergen, bestehende Strukturen nachhaltig zu verändern. Der Innovationsdruck steigt im Zuge der Digitalisierung, da das Identifizieren von Innovationspotenzialen mit den üblichen Mitteln und der meist betriebsgetriebenen und interessensbezogenen Innenperspektive nicht erfolgreich zu meistern ist. Gute Ideen sind nicht immer der erste Wurf, sie entstehen auf kooperativem Weg oft nach vielen gescheiterten Versuchen. Teilnehmende am Innovationsprozess brauchen die Lizenz zum Scheitern, um mutig und kreativ sein zu können. Der progressive Umgang mit Scheitern als Solches ("Get ready to fail") als Teil einer erfolgreichen, beweglichen Innovationskultur ist in vielen Traditionshäusern in Deutschland noch nicht angekommen.

Nach dem Erfolg eines neuen Geschäftsmodells zu fragen ist wichtig, doch die Antwort kann mit Sicherheit zeitlich zu früh erzwungen und damit der Innovationsfluss im Keim erstickt werden. Neue Konzepte können zudem schwerlich bestehenden Standards entsprechen, die ihrerseits eine Antwort auf jetzt ältere, bereits etablierte und ggf. überholte Konzepte geben. Eine Innovationskultur etabliert ein für das Unternehmen geeignetes Ökosystem mit Prozessen und (Kreativ-)Formaten und definiert das Open-Innovation-Mindset als Grundhaltung für einen erfolgreichen "Innovation Life-Cycle".

Beispiele von Ko-Innovationen zur Blockchain-Technologie 

http://Blockchain.Metalab.biz (mit Anmeldung)

https://www.hyperledger.org/

https://www.r3.com/

https://b3i.tech/home.html

https://www.btc-echo.de/eu-5-millionen-euro-forschungsprojekt-blockchain-ueberwachung/

https://siliconangle.com/blog/2017/09/28/sap-says-wants-build-blockchain-based-ecosystem-internet-things/

 

 

 Zahlreiche innovative Potenziale - Impressionen der HM18:

 

[Abbildung 2 Der Mehrwert von Augmented Realtiy im Produktionsprozess (Endress & Hauser)]

 

[Abbildung 3 Discover the Network of Digital Twins (SAP Stand)]

 

[Abbildung 4 IoT for Process Automation (SAP Stand)]

 

[Abbildung 5 Künstliche Intelligenz (Exponat Omron)]

 

[Abbildung 6 How can we feed the planet in 2050? (Bühler & Microsoft)]

 

[Abbildung 7 3D Druck (alphacam)]