Dr. Martin Reti 19. Januar 2015

Google Glass - gläserne Zukunft?

 Das Jahr des Internets der Dinge haben die Analysten ausgerufen. Dieses Jahr ist kaum drei Wochen alt, da erhält es auch schon einen (symbolischen) Dämpfer. Google zieht seine Datenbrille Google Glass heute, am 19. Januar, vom Markt zurück.

Das Ende von Google Glass?

Google Glass
Quelle: Wikimedia Commons - Photo by Dan Leveille - CC BY-SA 3.0

"So ein Pech aber auch", mag sich mancher gesagt haben, "gerade, als ich bereit war für die schöne neue Welt der Wearables". Noch härter trifft es diejenigen, die - teils auf eigene Kosten - an Googles Explorer-Programm teilnahmen: Techblogger Sascha Pallenberg beispielsweise hat sich bei mobilegeeks seinen Frust schon von der Seele geschrieben.

Ganz anders hingegen die Reaktionen auf Google+, wo Google mit einem recht simplen Post erklärt, was sich ändert: Neuer Manager (Tony Fadell, Ex-Apple und Ex-Nest) und eine neue, reguläre Einheit, die sich drum kümmern soll (Google X kümmert sich lieber weiter um das autonome fahrende Auto).

Lohnenswert oder verplempertes Geld?

Ob sich der Aufwand für Google gelohnt hat? Finanziell vermutlich nicht. Auch wenn Sascha Pallenberg vorrechnet, dass Google Glass 34 Mio. Dollar in die Kassen gespült hat, so dürfte dies doch ein Milchmädchenrechnung sein. Man kann guten Gewissens davon ausgehen, dass auch in Moutain View nicht nur Kosten für Rohstoffe und Produktion bei einem chinesischen Dienstleister anfallen, sondern auch Personalkosten, Marketingausgaben etc. Unter dem Strich dürfte dabei ein fettes Minus stehen. Aber keine Angst: Sergej Brin wird deswegen nicht betteln gehen müssen. Immerhin verdient Google in einer Sekunde 122.000 US-Dollar. ;)

Lenkt man den Blick aber mal weg vom schnöden Mammon, bleibt für Google (wieder mal) eine beachtliche Zementierung des Image: Google plus Alltags-Gegenstand (hier darf der Leser einsetzen, was ihm einfällt), ist immer für eine Schlagzeile gut. Wie kein anderes Unternehmen segelt Google als Entdecker durch die Gefilde einer digitalen Zukunft. Vielleicht sollten wir ihnen dafür sogar dankbar sein. Denn sie starten damit ganz im Vorübergehen die Diskussion darüber, was geht, was Sinn ergibt und was erlaubt ist. Und sie betreiben dabei ganz ansehnliches virales Marketing.

Betrachtet man Google Glass nicht durch die Brille eines Produkts, das sich auf dem Markt bewähren muss, sondern (wie den Red Bull Stratos Jump) aus der Marketingbrille, darf man Google durchaus dafür gratulieren. Der Marketing-Erfolg geht sogar so weit, dass Menschen dafür bezahlt haben, Werbung oder PR für Google machen zu dürfen. Und welcher Marketing-Verantwortliche könnte schon sowas über seine Kampagnen berichten?

Google und der Midas' Touch?

Das funktioniert, weil Google digitale Träume im Kopf entstehen lässt. Bei den dabei ausgelieferten Hormonen vergisst man dann bisweilen, dass

a) das Label "Google" kein Garant für Erfolg ist. Google investiert in Hunderte von Ideen. Schon allein die Wahrscheinlichkeit sagt, dass ein großer Teil davon auf der Strecke bleiben wird.

b) Google Glass tatsächlich nur eine technische Spielerei war - mit den entsprechenden Kinderkrankheiten. Die wir wohl wahr-, aber eben nicht ernst nahmen: Geringe Akkulaufzeit, Überhitzung, zu wenig Anwendungen mit einer geradezu borgischen Entstellung selbst der attraktivsten Antlitze. Dass man dafür auch noch ganz ordentlich bezahlen muss ... Unter dem Strich: Ein gutes Produkt braucht auch gutes Handwerk.

Wir werden sehen, ob Tony Fadell in den nächsten Monaten aus dem Spielzeug ein echtes Produkt macht. Und ob sich tatsächlich eine Killer-Anwendung für Digitalbrillen auftut, ohne dass man die Gläser rosa tönen muss. Erstmal geht die Geschichte auf jeden Fall weiter.

Marktanalyse vs. Einfach mal los

Diese Geschichte lehrt aber noch eines: Es kann nicht schaden, den Markt zu kennen und zu analysieren. Die Cloud-Ära, aka die Google-Denke, führt dabei zu einem Umdenken: Erst mal machen, dann schauen, was passiert. Das kann sich Google leisten. Für die meisten anderen Unternehmen gilt aber nach wie vor: Erst abschätzen, wie Aufwand und Ertrag zueinander stehen und dann loslegen. Dazu gehört auch eine saubere Analyse und eine realistische Prognose, wie sich Markt und Produkt bzw. Dienst entwickeln.

Fußnote: Gerade hat Tesco seine App für Google Glass fertig ...

 

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Dr. Martin Reti

Senior Consultant

Martin ist als Senior Consultant zuständig für eine breite Palette von divia-Themen, seien es klassische Marketinginstrumenteoder digitale Medien. In seiner Rolle berät er Unternehmen bei der Einführung von Social Media, bereitet im Content MarketingInhalte werthaltig auf und dient als Sparringspartner und Promotor von neuen Marketing-Ideen.

Martin hat langjährige Erfahrung im strategischen Marketing. Einerseits konzipiert er Marketingkampagnen, andererseits fühlt er sich auch als Umsetzer sehr wohl. Neben Auftragsarbeiten hat er auch eine große Zahl von Fachveröffentlichungen über Themen der digitalen Welt publiziert. Er ist ein gewinnender Referent zu Themen wie digitaler Transformation, Social Mediaund Cloud Computing. In seiner Rolle als “Übersetzer” und “Erklärer” vermittelt er komplexe (technische) Inhalte einfach und verständlich. Dabei kommt ihm sein analytischer Blick als Naturwissenschaftler zugute.

Als digitaler Immigrant versöhnt er die Welt des klassischen Marketing und das digitale Universum. Er hat langjährige Erfahrung in der ICT-Branche und kennt die aktuellen Themen, die Unternehmen – heute, häufig aber erst morgen – umtreiben: Big Data,Cloud Computing, Mobile, Collaboration & Co. In der Vergangenheit hat er aber auch Querschnittsthemen wie Prozesse und Personal unterstützt und sogar zwei Jahre als Social Media Manager in der Personalwirtschaft gearbeitet.

Martin ist im Netz bei Facebook,Twitter, Linkedin, Xing, Google+ und vielen weiteren Plattformen und Netzwerken zu finden. Ebenso schreibt er in unserem divia-Blog über seine Schwerpunktthemen. Beim Bitkom engagiert er sich im Arbeitskreis Cloud Computing & Outsourcing.

In der Freizeit engagiert sich Martin als Familienvater dreier Kinder und als Kirchengemeinderat u.a. in der Kinder- und Jugendarbeit der evangelischen Kirche. Martin ist immer bereit für ein gepflegtes Karten-, Würfel- oder Brettspiel. Als weiteres Hobby veröffentlicht er Rätsel auf seinem Blog. Aber auch im Freien ist der passionierte Freizeitläufer anzutreffen.

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