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Elektromobilität - abgasfrei in die Zukunft?

Geschrieben von Dr. Martin Reti | 22. September 2014

Elektromobilität ist eines der Schlagworte, das die Automobilbranche fest im Griff hält. Doch Elektromobilität ist eben nur zu 20 Prozent Auto und zu 80 Prozent Infrastruktur. Wir werfen einen Blick auf die Situation.


Tanksäule in Berlin - Quelle: Wikipedia

Quo Vadis, Elektromobilität?

Wo geht die Reise hin mit der Elektromobilität? In den letzten Jahren wurde das Thema vor allem diskutiert und theoretisch erörtert. Praktische Beispiele für die Automobile der Zukunft hatten allenfalls akademischen Wert und sahen bisweilen auch so aus, als seien sie aus einem Frankensteinschen Labor entsprungen. Langsam aber kommt die Elektromobilität in Fahrt. Das zeigte exemplarisch der Stuttgarter Weltrekord, an dem unsere Kollegin Anna vor einigen Monaten mitwirkte.

Elektromobilität als Chefsache

Insgesamt 2 Mrd. € investierte die Bundesregierung in Initiativen und Forschungsvorhaben. Ob das reicht, sich zum Weltmarktführer zu entwickeln und gleichzeitig den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren? Auf dem Papier wirken die Initiativen imposant: In der gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität engagieren sich nicht weniger als vier Ministerien und unterstützen die "Nationale Plattform Elektromobilität", wo sich Vorsitz von Henning Kagermann das Who is Who der deutschen Unternehmen tummelt. Nachdem in acht Regionen erste Elektromobilitäts-Projekte erprobt wurden, sind es aktuell vier regionale Schaufenster, u.a. in Baden-Württemberg, in denen live getestet wird, was geht und was nicht geht. Und aus denen möglicherweise Ideen hervorgehen, die die Zukunft Deutschlands gestalten sollen. Und die entstehen nicht nur auf dem Fundament der Automobilbranche.

Eine Million Elektroautos 2020

Die Bundesregierung hat - bereits in der letzten Legislaturperiode - ein klares Ziel ausgegeben, an dem sie immer noch festhält: Eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen - bis 2020. Zehn Jahre später sollen es schon sechs Millionen sein. Nun sind sechs Jahre noch eine lange Zeit, aber angesichts von gerade mal ca. 13.000 Elektroautos auf deutschen Straßen und knapp 86.000 Hybridautos (Zulassungsbericht KBA für 1.1.2014) beginnen die ersten Beobachter schon ein wenig daran zu zweifeln, ob das Ziel realistisch ist. Immerhin die Neuzulassungen entwickeln sich in relativen Zahlen prächtig: 2013 verdoppelten sie sich (6.051 Stück) gegenüber 2012. Im August 2014 kamen 515 Elektro-Pkw und 2.389 Hybridbetriebene, darunter 620 Plug-in Hybride hinzu; ein Zuwachs von +8,1 Prozent gegenüber den Zulassungen im Vorjahresmonat.

Prognose rosig bis unrosig

Ob Deutschland sich so von der Abhängigkeit des Erdöls lösen kann, scheint angesichts dieser Zahlen fraglich. Aber schon in der Vergangenheit hat uns exponentielles Wachstum bisweilen staunen lassen: Das Fraunhofer-Institut ISI sieht (neben etwa 150 anderen) drei entscheidende Einflussgrößen in seinen "Markthochlaufszenarien für Elektrofahrzeuge": den Benzinpreis, den Strompreis und den Preis für die Batterien. Der Idealfall geht von einem Anstieg des Benzinpreises auf 1,79 € aus und von einem nur leichten Anstieg des Strompreises (was ganz eng mit der Energiewende zusammenhängt, denn wenn der Strom nicht aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, ist ohnehin nichts gewonnen), sowie einer deutlichen Reduktion der Kosten für Batterien. Gleichermaßen haben die Wissenschaftler aber auch zwei Szenarien betrachtet, die weniger begünstigend wirken.

Bei all dem verhält sich die Bundesregierung erstaunlich ruhig. Sie überlässt es dem Markt, selbst seinen Weg zur Elektromobilität zu entdecken. 10 Jahre Kfz-Steuerbefreiung für Privat-Pkw, Reduktionen für Firmen-Pkw - das war es auch schon mit Vergünstigungen auf Konsumentenseite. Im Februar 2015 dürfen dann Busspuren benutzt werden - wogegen die Kommunen schon opponieren.

Dabei sind die Verbraucher eher offen für Elektroautos: Laut Bitkom-Umfrage können sich zwei Drittel der Autofahrer vorstellen, ein Elektroauto zu fahren - wenn es denn denselben Komfort bietet wie ein herkömmliches Auto. Und den selben Preis - was die Batteriepreise noch verhindern. Nichtsdestoweniger steht zu vermuten, dass die Forschungsgelder irgendwann fruchten und in den nächsten Jahren leistungsfähigere und kostengünstigere Batterien auf den Markt kommen. Das wäre eine wichtige Voraussetzung für den Druchbruch.

Das Außenrum: Tankstellen-Netz

Klar ist: Neben der Weiterentwicklung der Autos selber steht der Aufbau eines wirkungsvollen Netzes von Ladestationen im Fokus. 2013 waren das gerade mal knapp 4.500 Stück, was einer "Dichte" von etwa einer auf 100 Quadratkilometer entspricht. Demgegenüber standen laut ADAC 2013 14.328 konventionelle Tankstellen. Wobei hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Erstens reicht so eine konventionelle Tankfüllung in der Regel weiter als eine volle Batterie, zum anderen dauert so ein traditioneller Tankvorgang gerade mal fünf Minuten (inklusive Zeitung, Kaugummi und Red Bull ;)). Damit tun sich hier direkt wieder Fragestellungen zum Smart Grid und passenden ICT-Lösungen auf. Besonders wenn Privatleute Elektro-Tankstellen aufstellen ;). Elektromobilität wirkt sich also auf eine ganze Menge anderer Themen aus, die unsere Gesellschaft bewegen. Nicht nur die Mobilität.