60 Sekunden im Internet – die sind wie die Heisenbergsche Unschärferelation: Kaum auf (virtuelles) Papier gebannt, stimmen sie Aussagen schon nicht mehr. Die ungeheure Dynamik des Web ist immer wieder erstaunlich. Niemand kommt mehr ernsthaft auf die Idee, die Bedeutung der elektronischen Welt für unser Leben in Frage zu stellen. Die digitale Transformation ist tagtäglich spürbar.
Infografiken versuchen diese – mehr oder weniger aktuellen – Bestandsaufnahmen zu bannen, einzufrieren. Wir haben einige der prominentesten Infografiken zusammengestellt. Aber wenn man versucht, eine zeitliche Entwicklung aus den veröffentlichten Zahlen abzuleiten, kann man mitunter ganz schön enttäuscht werden. Aber – auch das sollte man im Hinterkopf behalten – nicht jeder Dienst wird immer unbegrenzt wachsen.
Eine der ersten Infografiken, konnten wir bei go-gulf aufstöbern. Der Zeitstempel des Blogposts gibt den Juni 2011 als Veröffentlichungsdatum an. Wegen des großen Erfolgs wurde im Dezember desselben Jahres noch eine Nachfolgegrafik mit frischen Blickwinkeln nachgelegt. Offenbar konnten sich diese Berichtsformate (“2 Mio. internet users watched porn online” und 38 tons of e-waste generated” – was auch immer damit gemeint ist ;)) nicht durchsetzen.
Anfang 2012 legte Intel seine legendäre Grafik auf, die heute immer noch gerne als Quelle genutzt wird. Mit dem Design setzt sich diese Veröffentlichung auch deutlich ab. Lediglich die Tweets (von 98.000 auf 100.000), die Google-Suchanfragen (von 700.000 auf 2 Mio. (!)) und die Menge der abgesetzten E-Mails (von 168 auf 204 Mio.) sind vergleichbar. Auf LinkedIn scheint sich in den dazwischen liegenden Monaten nichts getan zu haben (von 100+ auf 100+). Wie in einem guten halben Jahr die Google-Suchanfragen derart explodieren konnten, ist nur schwer zu verstehen. Und es steht zu vermuten, dass die Tweetzahl lediglich gerundet wurde.
Im Juni 2012 versuchte sich Domo an einer Infografik. Die Zahlen entsprechend weitgehend denen von Intel. Herausragende Ausnahme ist Youtube, wo die Uploadzahlen von 30 auf 48 Stunden pro Minute stiegen. Zusätzlich gibt es ein paar neue Blickwinkel, so wird beispielsweise Instagram erwähnt und eine Zahl für neue Webseiten ausgegeben (571). Waren bei go-gulf noch WordPress-Downloads ausgewiesen, ist es hier die Anzahl der publizierten Blogposts. (dazu haben wir damals auch schon beigetragen ;)) Für das Retro-Design vergeben wir aber Abzüge in der B-Note.
Im Januar publiziert Statista eine deutsche Grafik, die wiederum auf das ppt-Folien-Format setzt. Sie kommt etwas spielerischer daher und beziffert auch die Internet-Kriminalität. Interessant: Hier ist die Anzahl der Google-Suchanfragen schon wieder auf das Niveau vom März 2012 gesunken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ;). Der Amazon-Umsatz wird nun in Euro angegeben – für die Vergleichbarkeit braucht man also den dazu passenden Wechselkurs. Es gibt eine erste Zahl für WhatsApp (4,2 Mio ausgehende Nachrichten) und Youtube marschiert: Nun bei 72 Stunden Video-Upload pro Minute.
Ein halbes Jahr später tritt Qmee auf den Plan. Back to the roots geht es wieder im Kreis herum. Die Google-Suchanfragen schnellen wieder in die Höhe, einige andere Zahlen haben wir ebenfalls schon mal gesehen (beispielsweise die 204 Mio. E-Mails, die 14 Spotify-Songs und die 347 Blogposts). Als Ergänzung gibt es Zahlen für Pinterest, Snapchat und Skype.
Zeit für eine Aktualisierung wird es – da denkt Intel ganz richtig. Zu Jahresbeginn 2014 kommt eine frische Infografik auf den Markt, die sich optisch sehr klar an das schicke Design von 2012 anlehnt. Die Zahlen und Einträge sind aber nicht so einfach zu verglichen. Mit Netflix und AliBaba kommen zwei neue Spieler zu ihrem Recht. Die Quellen sind sauber gelistet und zugeordnet. Dafür gibt es ein klares Thumbs up. Eine neues Bestmarke für Google-Suchanfragen wird ausgewiesen (4,1 Mio.), Youtube knackt die 100-Stunden-Upload-Marke, der Amazon-Umsatz ist deutlich gestiegen, genauso wie die Anzahl der Tweets. Man merkt der Infografik an, dass hier wieder in aktuellen Quellen recherchiert wurde. Allerdings werden bei Facebook nun “pieces of content shared” und “messages sent” ausgewiesen. 2012 waren es noch Views und Logins. Facebook darf sich damit das gelbe Trikot des Kennzahl-Innovators anziehen. Schöner wäre aber Vergleichbarkeit …
Auf Mashable gab es übrigens im April 2014 ein Update von Domo - dieses Mal in hellblau.
Und siehe da: Im Juni tritt die Computer Bild auf den Plan. Das zeigt uns deutlich, dass das Thema im Mainstream angekommen ist. Die Quellen stehen allenfalls als schmückendes Beiwerk auf der Grafik. Das Ganze schön übersichtlich. Youtube hat wieder 28 Stunden Uploadzeit verloren, dafür ist die Zahl der Mails seit zwei Jahren konstant. Die Tweets sind rückläufig und siehe da: Es gibt wieder mal eine neue Kennzahl von Facebook, die Freundschaftsanfragen. Das Statista-Logo soll wohl zusätzliche Glaubwürdigkeit vermitteln. Hier wurde klar mit teilweise veraltetem Material gearbeitet.
Wenn Intel nachlegt, lässt sich Qmee nicht lumpen. Das Schwarz ist einem Grün gewichen. Auch Infografiken schließen sich dem Trend der Nachhaltigkeit an
Betrachten Sie jede Infografik mit einem lächelnden Auge und nicht als wissenschaftliche Forschung. Das Web ist zwar dynamisch, aber wenn alle Daten auf Infografiken wahr wären, wäre diese Dynamik galaktisch (und zwar in beiden Richtungen). Vieles wird wiedergekäut, manches wird durch neue Betrachtungsweisen verschleiert. Das sollte man immer im Hinterkopf haben. Einen Eindruck von den Dimensionen und der Bedeutung des Webs bekommen wir allemal. Wer sich für die Quellen interessiert, kann das in unserem vorigen Post nachlesen. Und jetzt machen wir uns an unsere eigene aktuelle Infografik. Bis nächste Woche …
Hier findet ihr eine aktualisierte divia Infografik Stand 06/2015
