Als wir unsere Studie über die baden-württembergischen Stadtwerke anfertigten, fiel uns schnell das Social-Media-Engagement der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm auf. Aus unserer Sicht beispielhaft. Unser Interesse nach weiteren Infos war geweckt. Johannes sprach daher mit Sebastian Koch, dem Social Media Manager. Er ist seit 2011 bei der SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH. Dort ist er u.a. auch verantwortlich für interne und externe Newsletter, Intranet und Internet.
Wie entstand die Idee, sich als Stadtwerk in Social Media zu engagieren?
Der Plan zum Einstieg in das Social Web wurde von der Geschäftsführung und der Marketingabteilung gefasst. Dabei gab es aber auch Bedenken und unterschiedliche Auffassungen darüber, wie intensiv das Thema behandelt werden sollte. Nach den ersten Gehversuchen auf Facebook, YouTube und XING wurde schnell klar, dass die Einstellung eines Social Media Managers nötig ist. Die vielen positiven Erfahrungen und Erfolge, die die SWU in den sozialen Netzwerken sammeln konnte, bestätigt diese Entscheidung.
Welchen Herausforderungen müssen Sie sich dabei stellen und wie gehen Sie damit um?
Die Herausforderungen in Social Media sind vielfältig. Dabei beschäftigen uns vor allem drei Dinge: Die Echtzeit-Betreuung, der Zeitaufwand und die Entwicklung von zielgruppengerechten Inhalten. Wer es ernst nimmt mit der Kundenkommunikation im Social Web, muss immer und überall in der Lage sein, auf Entwicklungen zu reagieren – auch am Wochenende oder an Feiertagen. Intern gilt die Regel: Jeder, der uns über Social Media kontaktiert, muss spätestens nach 3 Stunden eine Antwort haben, am Wochenende nach spätestens 24 Stunden. Dafür haben wir zwei teameigene Smart Phones, entsprechende Stundenverrechnungen sind mit dem Betriebsrat abgestimmt.
Nun ist es manchmal leider so, dass nicht jedem Kunden sofort weiterhelfen können. Dies gilt sowohl für komplexe Problemlagen oder für sensible Themen, die einer internen Abstimmung bedürfen. Hier geben wir zunächst eine Art Empfangsbestätigung und versuchen uns so schnell und gut wie möglich um das Anliegen zu kümmern. Die dritte Herausforderung ergibt sich aus den Produkten von Stadtwerken. Die sind meist per se wenig emotional und eher mit negativen Assoziationen verbunden. Hier gilt es, etwa durch Sponsoring-Partner wie der Basketballmannschaft ratiopharm ulm oder durch Gewinnspiele zu emotionalisieren und komplexe Inhalte anschaulich darzustellen. Unser Schlüsselbild, der grüne Schuh, hilft ebenfalls Themen zu Energie und Nachhaltigkeit locker zu transportieren.
Ihre Erfahrungen: Welche Inhalte funktionieren und welche nicht? Gibt es dafür jeweils Beispiele aus der Vergangenheit?
Generell müssen die Inhalte unserer Social-Media-Kanäle Mehrwerte für unsere Kunden schaffen. Das schafft man nicht, wenn in jedem Post/Tweet und jeder Interaktion versucht für das eigene Unternehmen zu werben. Das ist weder authentisch, noch Sinn und Zweck eines Social Media Engagements. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Themen mit Bezug zu Ulm am besten laufen. Zudem interessiert die Kunden das Thema Nahverkehr. Über Social Media können wir minutenschnell reagieren und unsere Kunden etwa bei Verkehrsstörungen rechtzeitig informieren. Hier bietet Social Media geniale Möglichkeiten, die die traditionellen Kanäle nicht bieten. Natürlich geht hier auch mal was daneben. Wie zum Beispiel im Oktober 2012. Um die Buslinie 6 zu bewerben haben wir eine kleine Kampagne aufgesetzt, die wir zunächst auf Facebook testeten. Dazu haben wir uns ein für einige anstößiges Wortspiel erlaubt. Entsprechend negative Kommentare ließen nicht lange auf sich warten. Die Diskussion war schließlich halb so schlimm und regulierte sich von ganz allein (sogar die Presse berichtete)
Wie ist Social Media bei Ihnen organisiert?
Unser Social Media Team hat vier Mitglieder. Als Social Media Manager betreue ich den Unternehmensauftritt der SWU im Social Web primär. Die drei anderen Kollegen unterstützen oder vertreten mich im Falle von Krankheit oder Urlaub. Damit garantieren wir, dass unsere Social-Media-Kanäle ohne Unterbrechung betreut sind und wir auf Anfragen reagieren können. Intern haben wir uns ein Netzwerk an Ansprechpartnern aus den verschiedenen Fachabteilungen aufgebaut, um entsprechendes Feedback aus der Community schnell weiterzuleiten und die Fragen der Kunden zufriedenstellend zu beantworten. Insgesamt ist die Akzeptanz von Social Media intern so weit vorhanden, dass die Reaktionen der Abteilungen mit der gebotenen Schnelligkeit kommen.
Einmal monatlich haben wir ein Kommunikationsmeeting mit Mitarbeitern aus verschiedenen Unternehmensbereichen. Hier werden die großen Themen entwickelt, diskutiert und deren Veröffentlichung auf unseren Medienkanälen geplant. Der Löwenanteil des Inhalts auf unseren Social-Media-Kanälen hat allerdings meist tagesaktuellen Bezug; diese Flexibilität muss man sich erhalten.
Was haben Sie während Ihrer Zeit in den sozialen Netzwerken gelernt?
Neben einem genauen Gefühl für zielgruppengerechte Inhalte, ist im Umgang mit Social Media eine gewisse Gelassenheit gefragt. Die bringe ich glücklicherweise von Haus aus mit. Denn nicht selten ist man mit kritischen Äußerungen von außen konfrontiert. Hier darf man sich nicht provozieren und zu vorschnellen Reaktionen hinreißen lassen. Zu wissen, wer nur Dampf ablassen will und wer tatsächlich an einer konstruktiven Lösung interessiert ist, ist Teil des Lernprozesses. Ohnehin, das haben wir gelernt, braucht es zudem ein hohes Maß an Flexibilität: Wir müssen ständig am Ball bleiben, über neue Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben, unsere Prozesse ständig hinterfragen und entsprechend anpassen.
Wie fällt bisher Ihre Bilanz aus? Lohnt sich Ihr Social Media Engagement?
Über die Wirksamkeit unseres Social-Media-Engagements gibt es keine belegbaren Zahlen. Aber fest steht: Durch Social Media steigt unsere Reichweite, wir erreichen ein jüngeres Klientel – den Kundenstamm von morgen – und erhöhen die Servicequalität unseres Stadtwerks. Dabei merken wir auch, dass es nicht allein auf die direkte Interaktion mit den Kunden ankommt. Wir vermuten eine große „Dunkelziffer“ von Kunden, die unsere Kanäle nicht aktiv, sondern passiv nutzen: Sie sehen die Posts, Tweets und Kommentare anderer User und sehen ebenso unsere Reaktionen.
Gibt es Pläne für eine Weiterentwicklung in der Zukunft?
Für die Zukunft gibt es dafür momentan keine großen Pläne. Wir wollen weiterhin daran arbeiten, die derzeitige Qualität unserer Kommunikation aufrecht zu erhalten. Das klingt einfacher, als es ist. Denn ständig ändert sich was; ständig muss man sich anpassen. Weitere Kanäle, über die bestehenden hinaus, bedeuten auch zusätzliche Arbeit. Die Gefahr besteht, dass man dann nicht mehr jeden Kanal richtig bedienen kann. Aber nur gepflegte Kanäle sind gute Kanäle. Zudem planen wir Abteilungen, wie zum Beispiel das Beschwerdemanagement oder die Verkehrsleitstelle, aktiv in die Facebook- bzw. Twitterbetreuung einzubeziehen.
Welchen Tipp können Sie kommunalen Unternehmen geben, die in Social Media starten wollen?
Bevor man loslegt, braucht es eine Strategie, klare Ziele und genug Kapazitäten; einfach mal so ins Blaue starten, funktioniert nicht. Und man sollte sich über das Wesen von Social Media bewusst sein. Denn Social Media ist weder eine Informations-Einbahnstraße, noch ein reiner Werbekanal. Sondern die Kommunikation läuft hier dialogorientiert in beide Richtungen. Wer nicht willens ist, durchaus auch kritisches Feedback seiner Kunden zu bekommen, ist hier falsch. Darüber sollte man sich im Voraus Gedanken machen. Aus meiner Sicht ist Social Media ein ideales Medium für Stadtwerke – solange die internen Strukturen stimmen.
Vielen Dank für das Interview!
Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm in Social Media.
Die Eckdaten:
- Facebook: Seit November 2010, aktuell 2.955 Fans, bereits über 1.000 Fotos gepostet, 2013 insgesamt 208 Kundenanfragen
- Twitter: Seit Juli 2012, 563 Follower, 742 Tweets
- YouTube: Seit September 2010, 92 Videos, 61 Abonnenten, 49.600 Video-Aufrufe
- XING: Seit 2010, Informationen über das Unternehmen, vereinzelt Stellenausschreibungen
- Foursquare: Seit 2010, die ersten Orte in Ulm sind eingestellt.
Die divia Stadtwerke-Studie: Jetzt kostenfrei erhältlich!
Die Studie entstand Anfang 2014, bietet also nicht mehr die aktuellsten Zahlen, aber die generellen Bewertungen und Handlungsempfehlungen für Stadtwerke haben nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt. Auf Anfrage senden wir Ihnen die Studie gerne zu.