Der Januar ist in vielen Haushalten der Moment der Wahrheit: Frei nach dem Motto "Wir haben noch eine alte Rechnung miteinander offen" melden sich unvermittelt auch die Infrastrukturversorger für Gas, Wasser und Strom. Bei den meisten Verbrauchern sorgt der Blick auf die Jahresendabrechnung für Unmut: Zu hoch, zu intransparent, zu wenig verständlich.
Den Rest des Jahres herrscht meist Funkstille zwischen den Anbietern dieser geradezu unsichtbaren Dienste und ihrer Kunden. In Deutschland sind wir es gewohnt, wie durch Zauberhand und nach Belieben über Gas, Wasser und Strom verfügen können. Die wenigsten interessiert es, wo der Strom herkommt, wie er erzeugt und von wem er geliefert wird. Am Anfang des Jahres wird uns eindrucksvoll vor Augen geführt, dass diese Leistungen etwas kosten. Wie viel sie wert sind, darüber sind sich Anbieter und Kunden natürlich uneins. Zumal die Umlagen für das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) uns zeigen, dass auch Verbraucher ihren Teil der Energiewende schultern müssen.
Kein Wunder, dass für manchen Kunden dies der Zeitpunkt ist, grundsätzlich über seine Beziehung zum Lieferanten nachzudenken – ein Triggerevent. Immerhin hat der Gesetzgeber 1998 durch die Liberalisierung des Strommarktes ja die Voraussetzungen für Freizügigkeit geschaffen.
Laut einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov ist mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Stromkunden entschlossen zu wechseln, sobald ihr Versorger den Strompreis erhöht. Seit der Liberalisierung haben bis dato insgesamt etwa ein Drittel der Deutschen mindestens einmal davon Gebrauch gemacht sind gewechselt – Tendenz steigend. Dabei spielen digitale Kanäle eine bedeutende Rolle. Heute informieren sich 80% der Haushaltskunden über ein Vergleichsportal und nahezu 50% führen einen Anbieterwechsel online aus, so eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Was also können Stadtwerke tun?
Ein austauschbares "no name"-Produkt, eine Kunden/Lieferanten-Beziehung, die oft aktiv nur einmal jährlich stattfindet und dann noch mit einem meist negativen Etikett markiert ist ("Die haben schon wieder die Preise erhöht")? Ein bisschen mehr Engagement um den Kunden scheint da angeraten. Das haben auch die Versorger erkannt: einer aktuellen effektweit SalesCoaching-Studie zufolge halten 88% der befragten Entscheider von Grundversorgern Kundenbindung für das zentrale Thema des Jahres 2014.
Doch das Engagement in Social Media bietet Potentiale, die weit über reine Servicedienstleistung reichen: Die Kommunikation über soziale Medien ist keine Einbahnstraße; nicht nur Information, sondern dialogorientierte Interaktion ist das Ziel. Und davon können gleich beide Seiten profitieren. Denn dialogorientierte Kommunikation steigert auf der einen Seite die Kundenzufriedenheit und Loyalität und kann darüber hinaus sowohl als kundenorientierter Innovationsmotor, als auch als Werkzeug des Risikomanagements strategische Vorteile für die Unternehmen bringen (s.u.).
Da verwundert umso mehr, dass das Potenzial von Social Media für diesen Zweck nicht ausgeschöpft wird. Als jederzeit zugänglicher Kanal, der für zusätzliche Transparenz und Marken-Differenzierung sorgen kann, schnelle Rückfragen und Aufklärung ermöglicht und somit das Serviceangebot verbessert, eignen sich Social Media ideal, um die Kundenbeziehung zu intensivieren. Denn neben dem Preis-/Leistungsverhältnis spielt auch der Kundenservice eine entscheidende Rolle bei der Auswahl eines Energieversorgers.
Die großen Energieversorger haben das bereits erkannt und bewegen sich sehr engagiert auch im Social Web. Die EnBW als der Platzhirsch in Baden-Württemberg unterhält gar deutschlandweit mit über 13.000 Fans die bedeutendste "Niederlassung" auf Facebook.
Die baden-württembergischen Stadtwerke als kommunale Energieversorger sind in Social Media noch lange nicht so weit: Von 122 Stadtwerken, die als Energieversorger auftreten, zeigen sich gerade mal 25 auf Facebook (20,3 Prozent). Sechs Stadtwerke haben über 1.000 Fans.
Nun sind die Fanzahlen von Facebook noch kein ausschließlicher Gradmesser für den Erfolg und Sinn eines Gangs in Social Media. Aktiver Dialog, das Wahrnehmen von Anfragen und eine (zeitlich angemessene und inhaltlich entsprechende) Reaktion sind wichtige Faktoren, die den Anspruch der Kundenbindung ernsthaft reflektieren.
Ein kleiner Selbstversuch hat ergeben: Zwei Stadtwerke haben die Direktnachricht-Funktionalität deaktiviert. Von den 23 übrigen reagierten zwei (Ulm/Neu-Ulm sowie Ludwigsburg-Kornwestheim) in weniger als einer Stunde, drei weitere (Esslingen, Geislingen und Waiblingen) noch innerhalb von vier Stunden. Fünf meldeten sich nach spätestens zwei Tagen. Unter dem Strich steht also eine Antwortquote von 44 Prozent.
Der aktuelle Wandel des Wettbewerbsumfeldes, die Suche nach neuen Geschäftsmodellen und ein ungewisse Zukunftsaussichten – Einsatzmöglichkeiten für die effektive Nutzung von Social Media gibt es zu Hauf.
Denn für Stadtwerke kommt es zukünftig verstärkt darauf an, die veränderten Kundenwünsche zu antizipieren und auf Basis dessen erfolgreiche neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Bei effektiver Einbindung der Kunden, können Unternehmen vielfältige Informationen ihrer Kunden abfragen, diese sammeln und auswerten. Spezifische Themen- und Stimmungsanalysen zeigen, was die Kunden bewegt, welche Initiativen von wem und mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten gestartet werden.
Diese Erkenntnisse ermöglichen es Unternehmen, Themen zu identifizieren, noch bevor diese direkt an das Unternehmen herangetragen werden. So kann bereits frühzeitig reagiert werden - entweder durch Kommunikations- und Marketingmaßnahmen oder durch strategische/operative Weichenstellungen.
Weitere Inhalte zu diesem Thema, sowie eine Analyse der derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen der Stadtwerke in Baden-Württemberg mit anschließenden Handlungsempfehlungen finden Sie ab Mitte Februar in der der divia Stadtwerke-Studie "Den Wandel verstehen, kommunizieren und nachhaltig gestalten".