Computer, Handys, Lampen, Waschmaschinen, Kühlschränke… Fast alle Dinge des täglichen Lebens brauchen Strom. Klar, der kommt einfach aus der Steckdose. Doch wie kommt der Strom dahin? Wie funktioniert das deutsche Stromnetz und wie ist es um die derzeitige Situation auf dem Strommarkt bestellt? Dazu liefert dieser Post Antworten. Gleichzeitig ist dies der Auftakt einer Serie des Corporate Blogs der divia GmbH, die sich in den kommenden Wochen und Monaten regelmäßig spannenden Themen der Energiewirtschaft widmet.
Grundsätzlich wird bei dem in Deutschland angebotenen Strom in zwei Kategorien unterteilt: Der konventionelle „Graue Strom“ aus fossilen (Erdöl, Erdgas, Torf, Braun- und Steinkohle) oder nuklearen (Uran) Brennstoffträgern und der „Grüne Strom“ aus sogenannten erneuerbaren Energien (Sonne, Wind- und Wasserkraft, Geothermie, Biomasse). 2012 betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland bereits 22% und überholte damit erstmals den prozentualen Anteil der Kernenergie am Strommix in Deutschland. Dies ist nicht allein dem subventionierten Ausbau erneuerbarer Energiequellen geschuldet. Auch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelte Einspeisegarantie der „letzten Kilowatt-Stunde“ und dessen Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energiequellen tragen dazu bei. Im Gegenteil wird die Produktion von Strom aus konventionellen Energiequellen zur Deckung der Stromnachfrage immer unwirtschaftlicher; die Betriebsstunden entsprechender Anlagen werden stetig reduziert.
Der rasante Ausbau erneuerbarer Energien führt zudem dazu, dass in Deutschland insgesamt mehr Strom produziert, als überhaupt gebraucht wird. Bereits seit 2003 ist die deutsche Stromhandelsbilanz durchweg positiv, Tendenz steigend. Obwohl 2012 bereits acht Kernkraftwerke weniger am Netz waren, wurde sogar dank Rekord-Strom-Exporten von 67,3 Terawattstunden (TWh) im Gesamtwert von 3,7 Mrd. Euro ein Rekord-Stromhandelsaldo (Exporte – Importe) von +22,8 TWh erzielt.
Schema der Stromversorgung in Deutschland. Quelle: http://bit.ly/1fPSRMf
Damit der Strom tatsächlich vom Erzeugungsort bis zur den zwei kleinen Löchern und der weißen Plastikabdeckung unserer Steckdosen kommt, braucht es eine komplexe Produktions- und Lieferkette aus Erzeugern, Händlern, Lieferanten und Netzbetreibern. Deren Arbeitsgrundlage ist das 1.671.300 Kilometer lange deutsche Stromnetz. Dieses wird grundsätzlich in zwei Teilbereiche unterteilt: Das durch die vier großen Übertragungsnetzbetreiber (Tennet TSO, 50Hertz Transmission, Amprion, TransnetBW) betriebene, größtenteils per Freileitung verlegte Übertragungsnetz und das durch etwa 900 Verteilernetzbetreiber betriebene und meist unterirdisch verlaufende Verteilernetz. Dabei funktioniert das deutsche Stromnetz in etwa so wie ein Straßennetz, der Strom durchläuft dabei mit einer Geschwindigkeit von 300.000 km pro Sekunde zwischen den großen Kraftwerken und der Steckdose des Endverbrauchers vier verschiedene Netze mit unterschiedlich großen Spannungsebenen: Auf der Ebene der Übertragungsnetze gibt es Autobahnen (Höchstspannungsnetze) und Bundesstraßen (Hochspannungsnetze), das kleinere Verteilernetz besteht aus Landstraßen (Mittelspannungsnetze) und Ortsstraßen (Niederspannungsnetze). Dazwischen gleichen insgesamt 566.300 Umspannwerke die Spannungsunterschiede des Stroms in aus.
Bei der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit gerät der gestiegene Anteil an erneuerbaren Energien zur Herausforderung. Denn bei der Stromversorgung gilt das Just-in-Time Prinzip: Das Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch muss zur jeder Sekunde exakt gegeben sein, um die im gesamten europäischen Verbundnetz verwendete Netzfrequenz von 50 Hertz aufrechtzuerhalten. Was jahrzehntelang gut mithilfe von Erfahrungswerten über die konventionelle Stromerzeugung funktionierte, gestaltet sich bei erneuerbaren Energiequellen problematisch: Der Wind weht mal stärker, mal schwächer, die Sonne scheint mal mehr, mal weniger; die aus erneuerbaren Energien produzierte Strommenge fluktuiert und kann daher nur schwer exakt an den momentanen Strombedarf angepasst werden. Neben neuen Technologien zur (Zwischen-)Speicherung von großen Strommengen, ist dabei der Ausbau der Stromnetzte – besonders auf der Übertragungsnetzebene – die wichtigste Abhilfe; einer Maßnahme, die auch der drohenden Netzüberlastung durch die vermehrte Einspeisung von erneuerbaren Energien entgegenwirken soll.
Lange lag es an staatlichen Monopolen, die Preise und Einzugsbereich der Stromlieferungen zu bestimmen. Der deutsche Strommarkt ist in seiner heutigen Erscheinung größtenteils ein Produkt der Liberalisierung der europäischen Energiemärkte. Angestoßen durch die Verabschiedung der Ersten EU-Richtlinie zur Elektrizitätsmarktliberalisierung im Jahr 1996, wurde diese 2009 mit der erneuten Revision der EU-Binnenmarktvorschriften (das „Dritte Energiepaket“) vollendet. Seitdem kann prinzipiell jeder seinen Energieversorger frei wählen, und sogar selber Strom erzeugen und verkaufen. Wohingegen der Wettbewerb auf dem Strommarkt in den Bereichen Erzeugung, Handel und Vertrieb ermöglicht wurde, unterliegen Transport und Verteilung seit 2005 der Regulierung durch die zuständige Bundesbehörde, die Bundesnetzagentur in Bonn. Durch die Liberalisierung hat sich die Wettbewerbssituation auf dem Strommarkt und die Anforderungen an den Vertreib der Energieversorgungsunternehmen (EVU) drastisch verändert: Besonders in Ballungszentren sind die Kunden sehr umkämpft; die Kundenfluktuation auf Seiten der EVU hat massiv zugenommen.
Trotz des drastisch erhöhten Wettbewerbs dominieren nach wie vor die vier großen, geographisch verteilten EVU– E.On, RWE, EnBW und Vattenfall. Durch strategische Beteiligungen an regional verwurzelten Stadtwerken und EVU und die Gründung von Tochterunternehmen beherrschen diese vier Konzerne etwa 80% des deutschen Strommarktes. Rückblickend betrachtet fiel also der eigentlich beabsichtigte Effekt der Liberalisierung – die Senkung der Strompreise – eher mager aus: Die heutigen Strompreise sind in etwa mit denen vor der Liberalisierung zu vergleichen.
Dabei ist der Staat nicht ganz unschuldig: Für etwa die Hälfte des Strompreises sind staatliche Abgaben (Umsatzsteuer, Konzessionsabgabe, Ökosteuer, EEG Umlage, KWK Umlage) verantwortlich. In kaum einem anderen europäischen Land ist der staatliche Anteil am Strompreis höher und in kaum einem anderen europäischen Land ist der Strompreis so hoch wie in Deutschland. Der Staat verdient also bei jeder Strompreiserhöhung kräftig mit. Glaubt man aktuellen Studien, ist dabei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Deutschlands gebeutelte Stromkunden müssen bald wohl noch tiefer in die Tasche greifen, als bisher. Hauptgrund ist die Finanzierung der Energiewende, sprich die Erhöhung der EEG-Umlage, die Befreiung davon für energieintensive Betriebe und paradoxerweise der sinkende Börsenpreis für Strom. Kritiker spotten schon, sollten die Strompreise noch weitersteigen, könnte irgendwann sogar das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr bezahlbar sein…
Die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 und die daraus resultierenden Folgen für die deutsche Energiepolitik, bestimmen seitdem die Dynamik des Marktes. Die Energiewende ist die größtmögliche, beispiellose infrastrukturelle Herausforderung des 21. Jahrhunderts, die nur als Gemeinschaftswerk gelingen kann. Das Ausland blickt derweil gespannt auf uns: Der Verlauf und Ausgang der Energiewende hat damit richtungsweisende Implikationen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dabei stehen die EVU massiv unter Druck, und zwar gleich an mehreren Fronten. Kernthemen wie die Entwicklung des Strompreises, der Netzausbau, Möglichkeiten der Stromspeicherung, Smart Grids, Energieeffizienz, sowie das EEG und dessen anstehende Reform verkörpern die Aktualität des kritischen Diskurses in der Bundesrepublik. In den folgenden Energie-Blogposts werde ich näher auf solch aktuelle Herausforderungen für die deutsche Energiebranche eingehen und freue mich auf rege Diskussionen.